INDIO GRIS

EINPERSONEN-ZEITSCHRIFT ZUR ANSAMMLUNG VON MÜLL
NR. 8 JAHR 2000 DONNERSTAG 20. JULIES 
ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT UND VERANTWORTET: MENASSA 2000

WIR KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN, DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
SPANISCH, FRANZÖSISCH, ENGLISCH, DEUTSCH,
ARABISCH, PORTUGIESISCH, ITALIENISCH, KATALANISCH



INDIO GRIS IST PRODUKT
EINER FUSION
DER GLANZ DES GRAUS
UND
DER INDIANER AUS DER JARAMA
DIE ZUKUNFTSTRÄCHTIGSTE FUSION DES 21. 
JAHRHUNDERTS

Indio Gris


INDIO GRIS NR. 8

1

Ich wollte von der Zeit wissen und seitdem lebe ich eingesperrt.

Hoffentlich habe ich die geeignete Größe und Schrift für meine ehrgeizigen Ziele gefunden, es sind nicht gerade wenige. Gestern kaufte ich einen Lap-Top, den ich in anderen Texten geschenkt bekommen hatte.

Es beeindruckt mich stark zu schreiben.

Etwas habe ich wohl verstanden, etwas von mir habe ich sicher auf dem Weg zurückgelassen, um zu begreifen.

Süßaugen, Honigaugen, ewiger Schmerz..

2

Ich bin in mir, ich bin in mir und nichts kommt an mich heran.

3

Ich kann nicht mehr sagen, ich kann nicht, und der Mann in meiner Begleitung beruhigt sich, hängt in den Seilen.

4

Nur ruhig, Menassa, das Wachstum muss vorübergehen.

11. Dezember 1991

Heute ging´s mit entsetzlich. Gleich morgens nannten sie mich Argentinier, um meine Argumente zu entkräften.

Muss ich mich denn noch mehr absondern?
Welch ein Delirium der Einsamkeit!
Oder eher,
Welche Einsamkeit!
Etwas habe ich nicht begriffen.
Etwas habe ich überhaupt nicht begriffen.
Argentinier bin ich nicht mehr.
Spanier sein, kann ich nicht.
Ärmster Indio, Indio, armer
Ohne Heimatland zum Verteidigen
Ohne Fahne zum Schwingen
Ohne Seele zum Beugen.

5

16.Dezember 1991

Heute geben wir die Nr. 1 der Zeitschrift "DER INDIANER AUS DER JARAMA" zum Druck.

Sieben Jahre des Wünschens und dann geschieht irgendetwas, ich bin glücklich.

Kommunikation mit allen zu allen, das wird unsere neue Macht sein.

Ja und beim Gipfel in Maastricht haben wir erreicht, was die Armen so erreichen. Seien wir vorsichtig.

6

Ich möchte nicht, dass sie mit mir machen, was sie mit allen machen.

Mir gefällt nicht, was sie mit den Kreativen machen.

Mir gefällt nicht, was sie mit den Frauen machen.

Mir gefällt nicht, was sie mit den Alten machen.

Es gefällt mir nicht. Überhaupt nicht.

7

Die Welt fällt nicht

Ich bin es doch, der stirbt, schrie der Verurteilte.

Und niemand hörte ihn.

8

Der Indio aus der Jarama, sagten sie mir gestern, sei die Feuerprobe für die Daseinsberechtigung Europas.

9

Die Dinge erreichen unbegrenzbare Weiten.

Das Leben mit ihr allein war die ganze Zeit über ein beschauliches Leben, und wir erreichten den Genuss, wenn sie dazu aufgelegt war.

Ein Leben, ideal zum Schreiben, aber ich konnte nicht so richtig.

Wir liebten uns, aßen etwas, Jetzt wollten wir gerade einen Kaffee trinken. Wir kriegten kein Gespräch hin, wir waren gelassen, beschaulich.

Das Telefon nervte uns. Wir brachten schnell die Anrufe hinter uns und wendeten uns wieder uns selbst zu.

Heute war ein schwieriger Tag, wir bekamen nichtds hin, aber wir waren da, wir schienen aus Stein.

Heiß ja, aber mit allen Kräften bremsten wir die ehrgeizige Lust zu fliegen, den Wunsch nach Verwandlung.

Sie schlendert an meiner Schreibmaschine vorbei, mehrmals. Dabei kommt sie einmal nackt aus dem Bad, tut so, als ob sie sich streichle, macht´s aber nicht und entschwindet durch die Küche.

Sie kommt wieder, halb angezogen, asl wäre sie nackt, aber mit einem um den Hals geschlungenen Seidentuch, mit zwei Kaffees und einer kleinen Zigarette.

Sie raucht und fordert mich ganz frei auf, tut als ob sie von nichts merke. Nimmt das Telefon ab und spricht Unzusammenhängendes.

Und mir scheint, dass sie, während sie spricht, mir ihre Titten zeigt und eine Dreier-Beziehung andeutet: Sie, ich und das Telefon.

Ich tue als ob nichts wäre, weil ich mich schäme so etwas zu empfinden, und tue, als ob ich schreiben würde.

Ich schaue meinen Pimmel verstohlen an und entferne langsam streichelnd das zufällig heruntergefallene Blättchen einer Pflanze auf meinem Pimmel.
Weil das Blättchen nicht gleich wollte, fühlte ich zunächst, wie ich eine Krönungszeremonie durchlebte.

Ehre dem Pimmel des Jahrhunderts, und sogleich befeuchtete ich meine Finger halb mit Spucke und klebte das kleine widerspenstige Blättchen an meinen Finger und aß es aus Scham angesichts meiner Frau nicht auf, die auf der anderen Seite des Schreibtischs - genauso wie ich - tat, als ob sie schreiben würde.

10

Heute bin ich am Ende, die Maschine ist von der Anlage her besser als ich.

11

Es gibt Hoffnung für alle, nur nicht für mich, schrie der Verurteilte und alle Welt hörte ihn.

12

Mit jedem neuen Tag fühle ich immer leidenschaftlicher, dass ich ein großer Schriftsteller werden möchte. Ein wahrhaft großer Schriftsteller. 8 Stunden täglichen Schreibens Tag für Tag jede Woche Monat für Monat jedes Jahr. Das wünsche ich mir, noch vierzig Jahre, nur das.

13

Ich habe sie drei Tage hintereinander gevögelt und dachte nichts weiter und der Pimmel ging immer wieder hoch bis zum Höhepunkt. Bei Beginn des vierten Tages machte sie eine Bemerkung, oder zwei, zu dem ganzen. So etwas wie: Wahnsinnig, wir vögeln vielleicht was, und auch eine kleine Anspeilung, dass wir in Buenos Aires uns sexuell besser verstehen würden. Ich empfand, dass sie mir in Madrid sexuelle Unlust zuschob, was ich von mir weise, genauso wenig, wie ich akzeptieren kann, dass Buenos Aires auf meine Sexualitäat eine wohltuende Wirkung hat.

Aber ich benahm mich wie ein Feigling. Ich sagte nichts.

Von diesem Augenblick an, ging der Sex zwischen uns in eine andere Dimension über. Der Pimmel, mein berühmter Seemannspimmel, verschwand, und meine Hände, ihre Hände, unsere Zungen begannen ungeahnte Dimensionen zu erreichen.

Wir schwelgten, wie nur Schweine schwelgen können, da wir aber keine sexuelle Verwandlung in uns zugeben wollten, benahmen wir uns zu Hause, als ob wir sauer aufeinander wären, als ob der Genuss Strafe wäre.

HEFTE ZUR VOLKSWIRTSCHAFT - OKTOBER 1991

14

Besser es machen als es sagen. Besser es tun als es versprechen.

15

Die einzigen Priviligierten sind die Kinder, solange sie Kinder sind.

16

Heute würde ich gerne in allen Einzelheiten die Finanzlage eines Psychoanalytikers beschreiben, des Direktors einer Schule für Psychoanalyse. Ohne Angst vor meinen Kollegen, ohne Angst vor dem Finanzamt.

Meine gegenwärtige Finanzlange (1991), zumindest Einkünfte und Ausgaben, sind folgende:

Eine Menge kommt rein, alles geht raus; keine Firma, eher eine primitive Kloake. Alles kommt rein, alles geht raus. Nichts wird aufgenommen, nichts verarbeitet. Niemand kann sagen: die Zeit ist vergangen, wir sind gewachsen.

17

Ich bin erst vor kurzem 51 geworden und hoffentlich verdiene ich ab 55 das gleiche mit der halben Arbeit. Wenn dagegen weiterhin die gesellschaftliche Nachfrage dahin geht, dass ich nach wie vor einen Ganztagsjob ausfülle, würde ich auch gerne etwas in gutgehende Geschäfte investieren oder in Geld außerhalb der Poesie.

Und obwohl ich das könnte, zittere ich , ich weiß nicht aus Angst vor dem Nichtkönnen oder diesmal genau aus Angst, Entsetzen vor dem Können.

18

Nicht alles kann man lösen, indem man an den Ödipus denkt. Es gibt Dinge aus der Kindheit, die in der Kindheit zurückbleiben.

Auch ich bin ein chronischer Tolpatsch und ich sehe schon, wie ich in ein paar Jahren weniger arbeite, mehr scheibe, alles geniesse, während ich in Wirklichkeit jeden Tag mehr arbeite und auch ein wenig besser, werde ich wie immer schreiben, was man so schreiben kann, und ich werde das gleiche wie immer geniessen.

19

Das Geld ist brutal aber möglich. Der Wunsch ist ebenso, ist brutal aber unmöglich.

20

Man verdient gutes Geld als Psychoanalytiker, aber es stimmt auch, dass 90% der Arbeit eines Psychoanalytikers einfach unerträglich ist für jeden Sterblichen, der keiner ist.

Das Geld, das es kostet, Psychoanalytiker zu sein, muss vom Verdienst abgezogen werden, so wie der wohltuende Strom, das unvermeidliche Wasser abgezogen wird.

21

Sie hat überhaupt nicht recht, und es ist mal gerade halb neun morgens.

22

Der einzige wenig starke Faden des Systems ist, wir leben von Neurotikern, Leuten im allgemeinen, wie ich, recht unstabile.

Und nachdem ich diesmal 51 bin, sollte ich heute bei dem, was ich mache, gar nichts falsch machen. Denn heute ist für einen Mann mit 51 Jahren auch morgen.

23

Die Einsamkeit, die ich fürchte, ist, nicht mehr zu vögeln, Lustlosigkeit. Das Geld kann Liebe kaufen, aber nicht auf meinem Niveau. Ohne Angst, ohne Schuld, ohne Gewissensbisse, d.h. also ohne Sex.

So einfach war das. "Ohne Sex wäre alles billiger" d.h. also ohne Schuld, ohne Angst, ohne Gewissensbisse.

24

Sie, um Frau zu sein, muss mich verschwinden lassen. Ich muss mich daran gewöhnen. Um mich verschwinden zu lassen, und damit ich auch verschwinde, muss sie mich bezahlen, und davon werde ich leben.

Lieben, richtig lieben werde ich die Kinder, und die Revolutionen.

25

Wie soll ich´s machen, damit aus mir ein Donnerschlag ertönt.

Ich werde bezahlt, um vor mir fast den ganzen Horror zu haben. Das heißt, ich werde bezahlt, um nicht auf den Horror loszugehen. Demnach wäre, den Horror, indem ich ihn mit meiner Schönheit mische oder der Schönheit der Poesie, dezimieren zu wollen, ein Irrtum.

26

Ich kann eben nicht das gleiche wie es andere können. Das muss ich von vorneherein wissen.

27

POESIE AUS DEN WORKSHOPS DER GRUPPE 0

In dieser neuen Sektion wird, sofern es möglich ist, ein Gedicht veröffentlicht, das von Mitarbeitern der Workshops für Poesie geschrieben wurde.

WO DU MICH NIEMALS ERWARTET HATTETST

"Die Seele bleibt faltenfrei" Indio Gris

Ich bin da, wo du mich Niemals erwartet hattest,
dummes Zeug, das mich überrumpelt
Körper, der schlägt, im Takt versunkener Sonnen
Lichtgefunkel,
Konstellation stets verwandelnd.
Mein Lammfell reisse ich auf
und es kämpfen ums Hervorstechen tausende Nadeln.
Mit Tiresias an der Hand nähern wir uns
diesem Licht,
übertragbar aus der Sprache.
Sein Blick läßt die Zeit stehenbleiben.
Alle Augenblicke verknüpfen sich vor dir
Tänzerinnen aus Pappe fliehen aus der Szene,
Menschen am Nacken gepackt wie Katzen
oder an Haken hängend wie Vieh
wie absolute Herrscher des Todes.
Trägt durch die Stadt seine weite Herrschaft spazieren
Verbindet lange Halsketten der Hoffnung,
wenn mich die öde Hochebene umfängt
deiner verschleierten Augen angesichts des Untergangs.
Ich möchte dich aus der Asche aufsteigen sehen
Dass du deine Haare entschlossen zurückwirfst
humane Geste
Schüttle die bedächtige Monotonie
aus deinen Lastern,
komm und umrunde diese Leere
die ich hier fühle, zwoischen meinen trockenen Brüsten
Es bilde ihre Aura eine Sonne
um, den Schnee meiner Seele aufzubrechen.
Stockt Fieber aus zwanzig Frühlingszeiten,
die mich an das Geheimnis binden
deiner Stimme, der lebendigen.

OLGA DE LUCIA, JULI 2000

ZUM WEITERREISEN
               DAS IST AUCH EIN BUCH

ES EREIGNETE SICH NIE
ES GESCHAH NICHT
ES IST NUR ZU LESEN

28

20. Mai 1995, Madrid

Ich stehe kurz vor dem Entschluss, keine Ansxtrengungen mehr zu unternehmen, damit sich Situationen auf die beste Art und Weise entwickeln können. Ich fühle, ich habe mein ganzes Leben, fast 55 Jahre, damit verbracht, die Realität ein wenig zu verändern, sie sollte so herrlicher, feiner oder menschlicher werden. Ich gebe nichts mehr. Ich möchte die letzten 50 Jahre meines vebleibenden Lebens leben und mich um nichts anderes kümmern als darum, zu leben.

Meinen Morgenkaffee trinken und ohne weitere Sorgen, nur daran zu denken, meinen Morgenkaffee zu trinken, und wenn die Welt gleich früh am Morgen allmählich zusammenfällt, werde ich mit der Welt zusammenfallen, aber von jetzt an, denke ich überhaupt nicht daran, sie zu stützen.

29

Eines der interesanntesten Dinge, die mir passieren, und wir sind bereits Jahr 1995, ich habe nämlich nie Geld übrig, und das ist einer der Gründe, weswegen ich alles neu denken werde. Ein anderer Grund ist, ich fühle mich nicht geliebt von den Menschen meiner Umgebung, die von mir leben. Und ein anderer Grund ist, ich fühle mich sehr geliebt von den Menschen in meiner Umgebung, die von mir leben.

30

Sonntag, 21. Mai 1995

Jetzt ist es schon abends halb sieben, und ich gewinne hoffentlich im Fußballtoto und kann einen Teil dieses Geldes in die Werbung für die Buchmesse stecken.

Ich sehe meine Nägel an, möchte wissen, ob mein Kreislauf in Ordnung ist, oder ob Sauerstoff in die entfernten Teile meines Körpers geht unjd denke, ganz gelassen,. Einmal gut gebumst ist immer heilsam für die Seele und auch gewissermassen für die Atmung.

Letzten Donnerstag hatte ich eine großartige Begegnung, obschon die drei Frauen, denen ich begegnete zusammen älter als 120 Jahre waren.

Es war alles fein, subtil, sanft. Der Genuss, sollte es ihn gegeben haben, war ganz und gar Gesundheit, nicht ein Tropfen Luft zuviel. Ohne dass Angemesssenheit oder Anpassung notwendig gewesen wären, war da Harmonie, und das ist immer gut für die Poesie.

Am Freitag, als die 10.000 Exemplare der Zeitschrift "Extensión Universitaria" kamen, empfand ich, meine Wünsche erfüllen sich, ab und zu, recht schnell. Das Beipsiel der "Extensión" war wunderbar: am 30. April hatten wir die Konferenz, um die Idee vorzustellen und am 20. Mai war die Zeitschrift bereits aufgelegt. Einmalig, am Montag begannen wir mit der kostenlosen Verteilung.

31

Montag, 22. Mai 1995

Heute, während ich badete, fantasierte ich so vor mich hin, meine Frazu sollte ihre Analyse wieder aufnehmen. Ja und ich sah mich im Spiegel an und fand mich weder jung noch alt, aber in Gedanken beschäftigte ich mich mit vulgärem Sex und dem Sex der großen Männer, und ich fand wenigstens zu dieser Morgenstunde, keinen Unterschied.

32

Die spanische Regierung hat eine Lösung gefunden, wie die Mafia-Banden, die mit Immigranten Menschenhandel treiben, eliminiert werden können, also alle Immigranten eliminiert werden.


Indio Gris