INDIO GRIS
EINPERSONEN-ZEITSCHRIFT ZUR
ANSAMMLUNG VON MÜLL
NR.
43 JAHR 2001 DONNERSTAG, 22 MÄRZ
ES
FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT
UND VERANTWORTET: MENASSA 2001
WIR KÖNNEN ZWAR NICHT
SPRECHEN,
DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
SPANISCH, FRANZÖSISCH, ENGLISCH, DEUTSCH,
ARABISCH, PORTUGIESISCH, ITALIENISCH, KATALANISCH
INDIO GRIS
IST
PRODUKT
EINER FUSION
DER GLANZ DES GRAUS
UND
DER INDIANER AUS DER JARAMA
DIE ZUKUNFTSTRÄCHTIGSTE FUSION
DES
21. JAHRHUNDERTS
INDIO GRIS NR. 43
1
WIDMUNG
Diesmal war eine Hinrichtung durch Erhängen
dran.
Stockendes Hören.
Murmeln, weib
und duftend, das bis an die Ufer der Seele reicht,
und dort, genau dort, stirbt es.
Niemand war niemandem gleich.
Wir waren, indem wir einzeln
nacheinander starben, in unseren eigenen Träumen.
In meinem Kopf vermischen sich, wenn ich schreibe, tausend Auffassungen des Satzes und der Welt und des Lebens, was mich nicht so sehr zum Weiterschreiben ermuntert, sondern eher Einhalt gebietet, auszuruhen hingeworfen genau in das Zentrum des Todes.
Ich liebe keine Geste, weil ich anders gegenüber allen Gesten bin.
Weil ich einen vergifteten und verrückten Schwanz habe und deftige ursprüngliche Farben in meinem Blick, perfekte und fast endgültige.
In tausend Richtungen, und ich sage
deutlich, was mit mir los ist,
in tausend Richtungen breche ich auf,
denn tausend Richtungen sind die
Richtugnen der Freude meines Blicks.
Ich habe auch keine Liebe für mich.
Ich liebe nicht einmal meine Verse.
Alles ist Strafe.
Gewisse kleine Meeresblasen bei
Sonnenaufgang.
Gewisse plätschernden Felsen.
Gewisse unmögliche Wege.
Ich bin ein durch sein eigenes Blut
vergifteter Mann.
Das Drama ist perfekt.
Ein Mann fast durch seine eigene
Kreation getötet.
Eine Art moderner und zerstückelter
Gott.
Ein wirklicher Scheisskerl.
Ein Versessener, die Welt glauben
Machender, meine Daten seien unauslöschliche Einzelheiten
des Lebens. Das Übrige, einfache
Manien des Überdrusses oder der Flucht.
Ich bin ein einmaliger, geteilter und
vielfacher Mann.
Ich passe mich an nichts an.
Im gleichen Augenblick der
Atomexplosion,
daran erinnere ich mich ebenso
glasklar wie an den Ausbruch,
küsste mich miene Mutter auf den
Mund.
Ich habe keine Lust über das zu
schreiben, was die Leute gern von mir geschrieben hätten.
Alles ist so viel komplexer, denn in
der letzten Zeit verlangen die Leute alles mögliche.
Es scheint, ich könne mich in
irgendeine Richtung bewegen, und es ist stets jemand bei mir ist
Und versucht, wenn er es auch nicht
kann, das Erwählte zu tun.
Vor dem Genuss der Tat lassen sie mich
in allen Fällen die Verantwortung der Tat spüren.
Ein Loch, wo mit einem Schlag irgendein Haufen Scheisse Platz hat, auch das ist eine Geschichte.
Es gab schon immer Führungsleute, und sie waren immer versessen, und dumm und sie glaubten immer zu sehr an ihre eigenen Pläne und einige wureden sogar launisch darüber und despotisch und hinterfotzig und lasterhaft, und die berühmte Menschheit jedoch erinnert sich ihrer auf unglaubliche Weise, bringt ihre Namen zwischen unvergessliche Steine und Verzierungen.
Und immer gab es Scheisse zwischen den Blumen und keine gütigen und humanistischen Männer, die, um den Menschen zu verbessern, dazu fähig waren, 500.000 Menschen auf einen Streich zu töten.
Mein Sohn erschiesst mich zum Schein mit einem Schein-Revolver. Meine Tochter sagt mir lachend, dass ich noch lebe, und dass ich weiterschreiben kann.
Ich weiss wirklich nicht, was ich tun soll. Und ich fange an zu weinen.
Ich widme dieses Buch, so wie Blumen
oder Vögel gewidmet werden, nämlich der Sonne.
Den Liedern.
Allen Toten fürs Vaterland und
diesmal auch denen ,die noch nicht gestorben sind.
Mir. Diese Buch widme ich mir.
Ein Buch, das ich nächtelang sehr
langsam schrieb.
Das ich sehr langsam korrigierte,
allein, zwischen den spielenden Kindern.
Ein Buch,das ich in die Druckerei
brachte, nachdem ich meinen lächelnden Allerliebsten entwischt war.
Allen Tieren der Welt.
Dem, der um Brot bettelt, dem, der es
ihm verweigert.
Der Gruppe 0, weil sie die
rieseneinsamkeit zu liess,
Der Gemeinschaft “Erweiterte
Familie” Carbonero y Sol, weil sie ihre Schönheit meinem Blick freigab.
Eine Familie, die wie alle Familien,
und trotz aller Anstrengungen, mit meiner Einsamkeit nicht Schluss machen
konnte.
Carlos Gardel und
Hegel, weil sie von Mann und Frau das gleiche sagen.
Spanien, dem gebeutelten Land, dem
Land Gottes, weil es das nicht zu Erobernde erobern wollte.
Madrid, im besonderen, weil trotz
aller Hindernisse, die jedem Lateinamerikaner in den Weg gestellt werden, um
darin zu leben, ich seit zweieinhalb Jahren überlebe.
Und wenn es ums Vergleichen ginge,
kommt mir das Wort Urwald, klein, bekannt.
Umherirrende und verworrene Frau.
Immer in greifbarer Nähe.
Wenn nach der Lektüre diese Buchs
noch jemand weiterhin darauf
beharrt, mein Freund zu sein, dann
widme ich es ihm.
Namen möchte ich nicht nennen, denn
leiden tun wir alle.
Und in diesem Leiden waren wir alle
gegeneinander.
Alle hartnäckige Anhänger der
Vergangenheit.
Hungrige Hunde.
Wir wagten nur, um etwas Brot und Sex
zu bitten.
Und sie war Gott.
Universalgeberin.
Fleisch und Martyrium.
Auch ihr widme ich es.
Trüb und melancholisch, damit sie
sich die Widmung um den Hals hängen kann, und mich durch die Welt spazieren trägt.
Im allgemeinen, MEIN DANK AN ALLE.
2
Dezember 1978
FRAGMENT
1
Drehen des Windes oder eher,
Stösse kleinster Teilchen dem Tod
entgegengerückt,
haben unser Schicksal umgeführt.
Wir sind, seit zwei Jahren ausländisch
gegenüber allem.
Wir werden, so wie die Tage vergehen,
das Warme unseres Blicks verlieren,
jene in unseren Augen glühende Wärme,
als wir in einem Land lebten,
dessen Gerüche mitten im Frühjahr
nach dem Geruch unseres Körpers rochen.
Wir waren vor der Katastrophe,
vor dem Zerbersten in tausend
Teilchen, normale Leute.
Freiheitsliebende Ärzte.
Freiheitsliebende Schriftsteller.
Naja, wir waren im allgemeinen
schäbige Freiheitsliebende.
Damen und Herren, Familienväter und
–kinder
Und wir hatten eine gesichterte
Zukunft.
Und wir sperrten uns in grosse einsame
Alkoven ein
um uns zu sagen, dass Wahnsinn
ansteckend sei,
und wir lachten und suchten nach der
Sonne,
zwischen den Beinen unserer Frauen und
waren glücklich.
Und während wir glücklich waren,
merkten wir, dass das Suchen nach der Sonne
dazu da war, versessen der Nacht zu
begegnen.
Die Liebe zur Sonne, war auch, das
Lieben des Starrsinns ihrer
Dialektik..
Aufgang und Untergang.
Leuchtende Begegnungen für später,
Sich immer tiefer in die Leere der Nacht versenken
Eine unerwartete Abwesenheit,
ein Körper
plötzlich unter der Sonne verwesend,
waren kennzeichnend für die vorbeiziehenden Jahre.
Von einer Enttäuschung zur andren Enttäuschung
brachten sie uns bei, wir hätten gar nichts.
Sprechen, warum?
Dann sagten sie uns,
bitten, warum?
Und sie schlossen uns in unseren eigenen Körper ein,
und in unseren eigenen Körper
brannten sie ihre Gesetzestafeln ein,
und gepackt von der unglaublichen Freude aufs Nichtsterben,
bringen sie uns fast um.
Ein starker eiskalter Nachthauch, für immer.
Eine fraglose Nacht ohne Ende
Eine schroffe und tödliche Festnahme,
- unerträglich für unseren Körper
-
in der Hand,
wo wir unser Leben hingegeben hatten,
um nicht zu sterben.
Sklave zu sein, das war klar,
reichte nicht aus.
Und dann war das Zittern,
ein kosmisches Zittern,
jenseits unserer Vernunft,
jenseits unseres Wahnsinns.
Jenseits aller ausgesprochenen Worte
und ohne zu wissen, was tun,
zitternd zwischen den Trümmern,
hiess es für uns auslaufen
Und Auslaufen war,
in tausend Teilchen flüssigen Goldes in die Welt zu zerbersten.
Und Auslaufen war,
ein Niemalszurück zum
gleichen Ort,
ein Niemalszurück zur gleichen Zeit.
Wenn wir etwas suchen,
so suchen wir alles, was uns fehlt,
nicht nur das Unbewusste.
Nicht nur die schwachen Düfte unserer Kindheit.
Nicht nur den flinkfeinen Flügelschlag eines verbotenen Wunsches.
Wir wollen unter uns allen
unser ganzes Leben haben.
Einen Körper, dem Auf und Ab des Schicksals gemäss.
Ein Wort, dem Blut näher als den Worten.
Unter uns allen möchten wir
so wie die Aztekenblume in der Wüste,
so wie ein unbestimmtes Licht, in totaler Finsternis –
ein paar unvergessliche Verse.
Wir wissen dennoch, dass Leben
Immer ein berauschendes Vorhaben ist.
Alles ist gut und alles ist schlecht.
Die Frau, der Mann
bestreiten ihr Dasein zwischen den wenigen Worten,
die sie kennen.
Eine Art kleines Gebet in mitten des Aufruhrs.
Ein kleiner Gott, kurz davor zu sterben.
Gegen die Unermesslichkeit der Atomteilchen,
Massenweise anwachsend.
Der blutende Silberbüffel kurz
vor dem Aussterben,
letzte Lichtherde, am Rande des Erschiessens,
Am Rand selbst, seine ersten Worte aussprechend:
wir sind da. Waren, was vom Menschen stirbt:
Einsamkeit.
3
DIE
RINDERKUH WAR IMMER
ETWAS
WAHNSINNIG
MONOLOG ZWISCHEN DER KUH
UND DEM STERBENDEN
Ein Buch von Miguel Oscar Menassa
"Ich
habe Verlangen, Esslüste, Hunger auf Jahrtausende, und jetzt wollen sie mich
abstillen mit einem Stück Käse, Wucherungen einer Weidekuh, oder die gleiche
Kuh mit Stöcken erschlagen und auf dem Tisch zerstückelt, erinnert an alte
Rituale, als die Menschen sich einander auffrassen, und das war die Liebe.
Ich
steche erbarmungslos mit meinem Messer gegen das Herz der Kuh, und die Kuh brüllt
auf, sie zerreisst sich aus Leidenschaft dem Mörder gegenüber. Und ich, mit
der Präzision eines Chirurgen, trenne Fett und Nerven ab und gebe meiner
Geliebten einen Bissen von den verkohlten Eierstöcken der Kuh.
-Wir
sind frei, sagt sie zu mir, während sie dem Knirschen ihrer Zähne zuhört und
versucht, die verbrannten Teile des Universums zu beugen.
Danach,
schon leichter, indem sie aus allem ein Spiegelbild macht, eine Lüge, meint sie
ganz gelöst zu mir:
In
mir lebt eine meisterhafte Kuh, die die ganze Zeit über brüllt und ermordet.
Manchmal tut es ihr anscheinend
weh, und dann scheisst sie überall hin, und die wahnsinnig gewordenen Blumen
fressen die Essenz der Scheisse auf und wachsen beschleunigt der Zukunft
entgegen."
4
EINE LEIDENSCHAFTLICHE LIEBE
EIN GRENZENLOSES BEGEHREN
EINE FRAGLOSE ZÄRTLICHKEIT
Ein Buch von Miguel Oscar Menassa
Für ein besseres Vertragen mit seiner Lebensgefährtin an Feiertagen
Und an dem einen oder anderen Arbeitstag
“Dieser
Roman ist ein Denkmal an den Wunsch und nicht an seine Befriedigung, und
der Wunsch passt weder in Formen noch in Normen.” Leopoldo de Luis |
“Menassa macht aus der Erotik eine wahrhaftige Enzyklopädie der sexuellen Beziehungen” Juan-Jacobo Bajarlía |