INTERNET-WOCHENZEITSCHRIFT ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT UND VERANTWORTET: MENASSA 2003 WIR
KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN, DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
INDIO GRIS NR. 174 JAHR IV LEITARTIKEL GESPRÄCH
MIT DEM DICHTER MIGUEL OSCAR MENASSA FÜR
DIE ZEITSCHRIFT “EL INDIO GRIS” Carmen
Salamanca: Wie
sind Sie denn auf die Idee gekommen, La
poesia no se enamora nunca (Niemals
verliebt sich die Poesie) zu produzieren? Miguel Oscar
Menassa: Also,
wissen Sie, was da los ist? Rein zufällig finden sich in der Grupo 0 (ich meine
damit die Filmproduktionen) Leute zusammen, die sich viele Filme angesehen
haben, viel Musik gehört, viele Bücher gelesen, viele Bilder angesehen haben
und oft ins Theater gegangen sind. Davon genau spreche ich, dass in diesen
Leuten ein unbewusstes Wissen über das Theater, die Dialoge, den äußeren
Eindruck, die
Malerei entstanden ist, und sie konnten dieses Nicht-Wissen nicht zeigen,
deswegen kamen wir darauf, dass unter so vielen intelligenten Leuten, die um uns
waren (und glauben Sie bitte nicht, das wir nichts zu tun hätten) ... Und
zwar das ganz Neue an diesen Produktionen ist, wir glauben nämlich, dass wir
alle daran beteiligt sind, niemand von uns kommt auf die Idee, alleine nach
Hause zu gehen und dort das zu machen, was wir alle zusammen machen. Deswegen
sind wir alle davon überzeugt, dass jeder einzelne von uns Verantwortung trägt
und an der Herstellung des Produktes beteiligt war, auch wenn er an diesem Tag
nicht gerade dabei war. CS:
Ein Team. MOM:
Gut, ja, man nennt diejenigen Leute ein Team, die im gleichen Moment zusammen
arbeiten, wir sind ein Phänomen, würde ich eigentlich eher sagen, denn ich
glaube, Sie haben selbst an dem Tag gearbeitet, an dem Sie nicht anwesend waren.
Denn, wie sollen wir Ihr Schreien vergessen, Ihre Veröffentlichungen, wie
sollen wir bei den Dreharbeiten nicht daran denken, dass Sie im Anschluss daran
kommen werden und alles kritisch beurteilen, dann waren Sie also doch dabei. Ich
war bei der Vorstellung von der Soundso dabei, und war doch nicht anwesend, war
jedoch anwesend: sie hatte mit mir am Vortag gesprochen, und ich machte dabei
eine Bemerkung zu ihrer Rolle, und dann kam Rosa dazu und wir gemeinsam machten
eine andere Bemerkung. Wir beide befanden uns im Körper der Schauspielerin, in
der Stimme der Schauspielerin, aber das interessanteste dabei ist, dass auch die
Schauspielerin das glaubt, nämlich, dass die Möglichkeit die Rolle so zu
spielen, wie sie sie gespielt hat, von ihr abhing, aber auch von den übrigen
der Gruppe abhing. Es ist schwierig, etwas anzunehmen, nicht dass etwas
schwierig wäre, das Annehmen ist schwierig. Als
sich Einstein in Spanien in Sachen allgemeine Relativitätstheorie
aufhielt, war da ein spanischer Wissenschaftler, der, nachdem Einstein
seinen Vortrag beendet hatte (er war über die Realtivitätstheorie) zu ihm
sagte, ob er vielleicht an die Tafel gehen dürfe um diese Theorie von Einstein
zu diskutieren, also die allgemeine Relativitästheorie, er schrieb drei Tafeln
mit Formeln voll und diskutierte dabei Einsteins Theorie, dann sagte Einstein zu
ihm, nein, Sie irren, nahm einen Kugelschreiber, zeichnete in der Luft einen
Kreis und sagte zu dem spanischen Wissenschaftler: “Na, haben Sie gesehen, ich
bin um die Welt gefahren”. Der
Witz wurde von drei Leuten verstanden, von Einstein, von mir und noch zwei
Leuten. CS :
Das ist ein Beweis, dass Verstehen möglich ist. Wovon
aber handelt die Videokunst, die La poesia
no se enamora nunca, wovon handelt die, von den Beziehungen zwischen Frauen
und Männern? MOM:
Nein, schauen Sie mal, mit diesem Kunstvideo also, vielleicht unter dem Einfluss
von Menassa, wo doch die ursprüngliche Idee von ihm stammt, machten wir da erst
mal so eine Art Zusammenstellung seiner Poesie, denn da ist auch seine Malerei,
aber seine Malerei ist sehr aktuell, bei der Poesie dagegen ging es darum,
Gedichte von 75 bis 2002, also aus einem Vierteljahrhundert, zu nehmen. Es gibt
äußerst
persönliche
Gedichte, das sind die ersten, aus Yo pecador (Ich, der Sünder), dann sind da
Gedichte von denen man sagen könnte, sie haben einen sozialen Anstrich, wo er
von den Indianern spricht, die sind historischer Art, und dann sind da auch
Gedichte, die einen herausragend erzieherischen Wert haben, wo ein im Wachsen
befindlicher Mensch einen Brief an seine Kinder und an seine Schüler schreibt,
also eigentlich haben wir ohne es zu wollen in dem Video da einen Diskurs
angekurbelt. Wir
warten darauf, dass irgendjemand Geld locker macht, um daraus etwas Populäres
zu machen, ja populär, das einzige, was bei dem, was wir machen, fehlt, damit
es populär wird, ist jemand mit Geld, der es der Bevölkerung nahebringt, denn
zum erstenmal bekommen die normalen, gewöhnlichen Leute die Gelegenheit, die
Musik anzupacken, die Malerei, und das in aller Ruhe anzusehen und dabei zu
genießen.
Und außerdem
wird damit der Poesie etwas unschätzbar Gutes getan, denn wenn du die Poesie in
Beize einlegst, sie mit guter Musik würzt, einem guten Bild, einer guten
Aufnahmetechnik der Bilder, das heißt,
einer guten Filmproduktion, dann trägt das zur Verbreitung der Poesie bei und
Sie wissen, dass die Wahrheit der Völker in der Poesie steckt, die steckt nicht
in den Beschlüssen, die eine Regierung fasst. CS:
Glücklicherweise MOM:
Das meine ich mit populär. Also wenn ich ein Problem habe, lese ich am Morgen
drei große
Dichter und alle Probleme hören auf, warum? Was nicht ein gutes Gedicht erklären
kann, kann nichts anderes erklären, ciao. Und wenn die Wissenschaft erklärt,
ist das schon in einem Gedicht erklärt worden, nur der Stil des Gedichtes wird
erst dreihundert Jahre später verstanden, vierhundert Jahre später. Es ist
aber auch nicht notwendig so modern zu sein, wir könnten nach den Gedichten des
letzten Jahrhunderts leben, die waren ziemlich gut, und zusehen, wie unsere
Gedicht ihre Funktion erfüllen, jetzt veröffentlicht zu werden, mit der
Malerei ausgeschmückt zu werden, der Musik und dem Film, sie sollen aber ihre
Funktion erfüllen, sie sollen dem zukünftigen Menschen davon erzählen, wie
wir gelebt haben, und gerade deswegen wird gesagt, die wahrhaftige Geschichte
der Völker sei in der Poesie, denn die Geschichte, so wie sie Ihnen in der
Grundschule beigebracht wurde, diese Geschichte ist die Geschichte der Sieger,
und nicht die Geschichte dieses Volkes. Was wir dann damit erreichen können,
mit dem populären Poesie machen, ist dann, dass die Völker sich allmählich
darüber klar weden, wie sie leben, wie sie beherrscht werden, wie ihnen das
Geld gestohlen wird, wie sie nicht frei lieben dürfen, und das ist sehr wichtig. Und
all das kann die Poesie schaffen? fragt dich der Typ. In mir schon, wenn Sie
sich nicht aufraffen, dann ist das nicht meine Schuld, denn man muss sich dazu
aufraffen, sich von einer Unbekannten führen zu lassen. CS:
Es fällt mir gerade ein, damit die Völker ihre wahrhaftige Geschichte erfahren,
das ist doch wie eine verschlüsselte Sprache. MOM:
Schauen Sie mal, schon Rimbaud wusste das, ihm war klar geworden, dass die
Poesie nur derjenige verstehen würde, an den sie sich auch richtete. Den Frauen
empfahl er, sie sollten sich Revolutionäres untereinander über die Poesie
mitteilen, denn auf diese Weise, könnte ein Tyrann niemals verstehen, was die
Frau im Sinn hat. Die Dumme jedoch war das ganze letzte Jahrhundert lang damit
beschäftigt, ihren Busen zu pflegen, anstatt ihre Poesie zu pflegen, obowohl
jetzt ist sie wieder mehr oder wengier dabei zu pflegen. Denn das ist die
einzige Art und Weise etwas mitzuteilen, ohne dass der Mächtige etwas davon erfährt,
das genau ist die Poesie. CS:
Schon Aldo Pellegrini sagte, die Poesie sei eine dem Dummen verschlossene Tür. MOM:
Die Poesie ist eine den Dummen verschlossene Tür, da hat er Recht und ein
Daiktator ist immer auf irgeneine Art ein Dummer, denn er denkt, er sei Diktator
aus eigener Kraft, deswegen wird er schließlich
gestürzt werden. Wenn du nämlich nicht glaubst, dass nur du alleine es bist,
dann kannst du schon nicht mehr Diaktator sein, wenn du glaubst, jemand hilft
dir dabei das Desaster zu schaffen, dann bist du kein Diaktator mehr. CS :
Und der Titel, warum dieser Titel ? MOM :
Naja, La poesie no se enamora nunca, weil die Poesie ihre Liebhaber hat.
Jeder, der die Macht der Poesie vergrößert,
ist ein Liebhaber der Poesie, deswegen werde ich von der Poesie geliebt, weil
ich sie aus den Vororten von Buenos Aires bis auf die höchsten Gipfel des
zeitgenössischen Denkens brachte. Ich werde von der Poesie geliebt, weil ich ihre Macht erweitert habe.
Haben Sie bemerkt, dass jetzt alle Wissenschaftler Dichter sein möchten? Sie
werden das aber nicht können, weil sie 30 Jahre lang sich dagegen gewehrt
haben, wenn sie mir nur doch nur vom ersten Tag an gefolgt hätten! Gut, aber
auch Sie werden von der Poesie geliebt, sind Sie denn nicht Reaktionssekretärin
von Las 2001 Noches? CS:
Doch, schon. MOM:
Auch Sie werden von der Poesie geliebt, weil Sie versuchen, die nach Ihrer und
des Herausgebers Meinung nach besten Dichter bekannt zu machen, sie populär
werden zu lassen, da sie umsonst eine Zeitschrift für Poesie mit 125.000
Exemplaren veröffentlichen, da merkt doch jeder, dass Sie ein Interesse daran
haben, Poesie bekannt zu machen. Dennoch
wird man uns auf die Dauer verfolgen, warum? Weil klar werden wird, dass wir für
modernen Staaten unzulässige Dinge vorschlagen. Wir schlagen vor, unter dem
Schutzschirm des Staates solle es großartige
Männer und großartige
Frauen geben, und Sie
wissen, das weiss man seit Mallarme, dass unter dem Schutzschirm des Staates
kein großartiger
Mann
und keine großartige
Frau gedeiht. Naja, dann werden eben wir der Staat sein müssen, damit unsere
Theorie funktioniert, dann bereiten Sie sich schon mal langsam auf die nächsten
Wahlen vor … El Indio Gris Ausschnitt
auf Spanisch aus dem Gespräch mit Miguel Menassa
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