INDIO GRIS
EINPERSONEN-ZEITSCHRIFT ZUR
ANSAMMLUNG VON MÜLL
NR.
17 JAHR 2000 DONNERSTAG 21.
SEPTEMBER
ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT
UND VERANTWORTET: MENASSA 2000
WIR KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN,
DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
SPANISCH, FRANZÖSISCH, ENGLISCH, DEUTSCH,
ARABISCH, PORTUGIESISCH, ITALIENISCH, KATALANISCH
INDIO GRIS IST
PRODUKT
EINER FUSION
DER GLANZ DES GRAUS
UND
DER INDIANER AUS DER JARAMA
DIE ZUKUNFTSTRÄCHTIGSTE FUSION
DES 21. JAHRHUNDERTS
Ich
möchte nicht, dass während der Arbeitszeit sich einer einen raufholt,
runterholt oder simuliert, auch ich nicht.
Und genau da, änderte sich mein Leben für immer.
Das
Jahr 1985 verfolgt mich: die Sache mit den Gruppen; keine Ahnung, ob ich
ausreichend Kraft habe, keine Ahnung. Ich muss herausfinden können, bis wann
das Essen reicht.
Nur
eine schwache oder kranke Seele lässt sich auf diese Weise von der äusseren
Realität wegschleppen. Also dann weiter mit dem
Lernen.
Sonntag,
14. Juni 1985: Gestern sagte ich es mir ganz klar: das einzige, was wirklich
eine Begrenzung braucht, ist meine Leidenschaft.
Meine
Begierden sind das Unaufhaltbarste von allem, was mich umgibt.
Von allem was ich tue, etwas weniger machen, ich weiss nicht, ob ich das kann.
Böse kommen sie daher, die Geier ohne Fressen.
In ein paar Tagen werde ich in der Schule meinen ersten Unterricht geben, zur Einführung in das Werk von Lacan und in die weibliche Sexualität.
Keiner
weiss mehr, wie er das Geliebte verfluchen soll.
Keiner weiss mehr, wie er das Verfluchte lieben soll.
Vielleicht werde ich etwas darüber wissen, in welch schmutziger Absicht ich eines Tages aufhören werde zu schreiben.
Heute
endlich, und ohne das Jahr 1985 zu verlassen, fühle ich, dass ich ein grosser
Maler werden kann. Vielleicht sind da ein paar soziale Misserfolge zu viel, und
sie präsentieren sich nur als Misserfolg, um meinen Aufbruch zur Malerei zu
erzwingen.
Ich möchte eine Austellung mit 40 Bildern vom 1 m auf 81 machen.
Mich wieder selbst finden, auch wenn es in der Farbe ist.
Ich hoffe, dass die Sache mit dem Geld mich nicht zum Idioten macht.
Geliebte,
Geliebte, ich werde niemals anhalten. Es gibt keinen Schmerz, der das verfluchte
Herz meines Gesangs aufhielte.
Ich werde bis zum Ende schreiben, ich kann nicht anhalten.
Ich warte darauf, dass mein Vater stirbt und mein Vater ist gestorben. Ich muss nur noch seinen Platz einnehmen.
Phallus kann man weder sein noch kann man ihn haben.
Ich
bin entzückt, deine Abwesenheit tut mir gut.
Deine Abwesenheit ist das Loch durch das meine Verse an die Grenzen irgendeines
Universums stossen.
Heute sagte sie etwas betrübt zu mir: Die Szenen der reinen Wirklichkeit sind
furchtbarer als irgendein Wahnsinn.
Und ich antwortete: Ich hoffe mit meiner Intelligenz, alle meine Leidenschaften
überwinden zu können.
Die Poesie ist es, und nicht das Nichts, was mich im Rausch gefangen hält.
Mai
1985: Es war gerade ein Feiertag, und so unterhielt ich mich mit den Leuten
meiner Umgebung und erweckte grosse Leidenschaften gegen meine Person und meinen
Charakter, als ich ihnen sagte: So, wie bisher Paroxysmus, Sex und Spiel
gehandhabt wurden, wird man das Schreiben und das Arbeiten bis zum Paroxysmus
bringen müssen.
Sie antworteten mir nichts und gingen grusslos davon. Ich blieb vor mich hin
murmelnd zurück:
Ich muss wieder lesen lernen und zwar ohne irgendeine Absicht, Vergnügen am
Lesen selbst finden, das übrige wird sich von selbst ergeben, aber Lesen, das
muss ich lernen.
Nie
reichte eine Liebe so weit,
nie war eine Illusion so besänftigend.
Eine gutturale Stimme ruft mich aus den Schatten:
spielen, verlieren, spielen, verlieren ist auch sterben.
Donnerstag, 2. Mai 1985: Ich habe ein wenig Angst, dass alles nicht so wird, wie ich es voller Sehnsucht erwarte. Ich bin mit finanziellen und familiären Pflichten überhäuft und kann hoffentlich allem mit meiner Arbeit nachkommen. Welch ein Wahnsinn!
Wenn
auch einige sagen, ich ginge sehr schnell, vertraue ich weiterhin darauf, dass
meine Methoden immer auf halben Touren laufen.
In erster Linie, damit alles länger hält, aber auch, damit es Zeit genug gibt,
um den Kurs der Maschine zu korrigieren, wenn immer es notwendig sein sollte.
Und
ich frage mich auch, wer weiss, ob ich wahrhaftig die Welt verändern will, oder
ob ich vielmehr imstande sein möchte, etwas Geld zu verdienen, genug, um meine
Familie zu verändern.
Werde auch ich ein bedeutungsloser Diener der Staatsideologien werden? Die
Gruppe, der Sex, die Familie, je nachdem wie man diese Begriffe handhabt,
können ebenso kontrarevolutionär werden wie der Alkohol, Designer-Drogen oder
die Liebe.
Alles war gleichzeitig spektakulär und grandios, als sie mir das Herz herrausriss und den Hunden vorwarf.
Ohne selektive affektive Tendenzen (irgendeine Liebe zu irgendjemandem oder irgendetwas) kann man das mit dem Sozialen, aber bei zunehmenden Komplikationen oder mit Kälte, das heisst antisozial.
Der Anreiz durch Geld zur Arbeit oder irgendeine Art der Unterwerfung (sexuell oder sozial) ist sogar unter den Armen gut angesehen, sogar von den Revolutionären.
Manchmal
erwarte auch ich, dass ein Wunder geschieht.
Die Leute streifen die Dummheit und den Wahnsinn in jedem Augenblick, und
niemandem nehmen sie Geld dafür ab. Warum mir?fragte sich der Verurteilte.
Der Gedanke an meine Kühnheit macht mir manchmal eine Gänsehaut, sagte der Verurteilte zu seiner Frau, und wenn ihn seine Frau fragte, warum er das sage, erwiderte er schlicht: Ich habe gerade fünf Kilo Scheisse gekauft, und jetzt haben wir kein Geld für die Miete.
Ich bin das akustische Auge, ich schreibe und spreche gleichzeitig.
Ich weiss nicht, ob jemand mein unbewusstes Wissen verwenden kann, aber mir ist
das passiert.
Es gibt etwas der Worte, das im Gehen steckt, es gibt etwas des Gehens, das in
jedem Wort steckt.
Der Verurteilte sah mir in die Augen und sagte mit Überzeugungskraft: die Mannigfaltigkeit der Musik interessiert nur die sehr Jungen und die Experten, der Rest, wir, die Dichter, lieben immer die gleiche Musik. Wirhätten gerne, dass die Verkleidungen der Musik sich änderten, die Gesichter der Musik, die Namen der grossen Meister der Musik.
Sie
kam und sagte zu mir, die Kultur mache nichts Besseres mit dem Bürger als ihn
zu verblöden. Der Rest Algorithmen von Lacan, die es nicht weit bringen.
Freud sagt es ganz klar: etweder gleichmässige Verteilung des Produkts im
Verhältnis zur Arbeit, oder vollkommene Vernichtung.
Weil ich das, was sie sagte , nicht vollkommen schlecht fand, sagte ich nichts
zu ihr.
Es
gibt Tage wie der heute, die einfach nicht vergehen.
Das sind Tage wie dichter Nebel in der Kehle am Rande des Abgrunds.
Diese
Tage Freuds gegenüber der Bedrängnis, nicht genau wissen zu können, erst ein
bisschen später.
Diese unvergesslichen Tage mit César Vallejo der dem Tod mit dem Knuspern des
Brotes gegenübertrat.
Diese Tage des traurigen Bieres als irgendein armer, mittelmässiger oder sehr
sentimentaler Dichter,
merkte, dass im kommenden Jahrhundert ihn niemand lesen würde .
Diese Tage, wenn die Seele bricht, damit die Worte das Gedicht erreichen und
auch
Diese Tage, wenn das Gedicht uns endgültig verlässt, um die Seele zu erfinden.
Es gibt Tage wie der heute, die einfach nicht vergehen.
Es sind Tage wie im Krieg, wenn die Frau des Freundes mich liebend anzieht.
MADRID 18. APRIL 1991:
DAS
GEDICHT VOM LEBENDEN
IM GEDENKEN AN GABRIEL CELAYA
Es
war ein extremer Schmerz
einfach,
der Trostlosigkeit geöffnet.
Ich hatte ihn sterben sehen
aus Armut, einen Dichter,
und es war in Spanien.
Danach
fühlte ich gar nichts mehr,
heimlich brach ich die schönsten
Blumen meines Gartens
und ersetzte sie durch schmiedeeiserne
Gitter.
Vor
Reportern geschützt,
sie machten keine Fotos zwischen Gittern:
baute ich meinen ersten Vers:
Nach
mir wird
kein Dichter
aus Armut sterben.
Ich
schwör´s nicht, ich schreib´s
ich stammle´s jeden Morgen
zeichne tausend Pfade der Herrlichkeit,
und verkaufe sie auf Raten,
damit es nie an Interesse
zu meinen Gunsten mangelt.
Ich murmle hingabevoll:
auch ich liess ihn sterben,
und der Vers verurteilt mich dazu
zu merken,
dass keine Zeit mehr ist,
den Tribut zu zahlen.
Und
der einfachen Dinge des
Lebens wegen,
erkläre ich euch den Krieg
und ohne zu zögern, sage ich euch:
Besser
ein Mann mit Leben
Als einen auf der Fotografie.
Ich
muss von mir leben. Mein eigener Ausbeuter sein. Ich glaube, das habe ich
neulich schon gesagt.
Ich muss meine Papiere in Ordnung bringen können. Ein bisschen das
"und" beiseite lassen und mich mehr um den Inhalt kümmern.
Sie
kam und sagte zu mir mit grosser Ernsthaftigkeit:
Ich liess ihn für jedes sexuelle Verlassenswerden mit einem gesellschaftlichen
Verlassensein bezahlen. So war's , und es war mir egal, in jener Rache zu
sterben. Ich wollte mich töten bei jedem Verlassenwerden, bei jedem
Verlassenwerden tötete ich ihn. Die Verzweiflung bestand darin, wenn ich ihn
tötete, tötete ich auch mich und verurteilte mich, zu einem neuen
Verlassenwerden. Ich konnte mich nicht trennen, aber das einzige, was ich für
ihn fühlte, war Hass.
Und genau da fühlte ich mich gehasst von hunderttausend eifersüchtigen, erbosten Frauen, richtigen Hyänen, und dann wollte ich ihr, ich weiss nicht was, erklären und konnte ihr nur sagen: Bis zum nächstenmal.
Seit zwei Tagen schon komme ich nicht davon los, täglich vom Fleisch zu leben.
13. September 2000
Die Titelseiten der heutigen Tageszeitungen stimmten mich traurig.
Mr. Blair beruft sich auf ein Kriegsgesetz, um in den Krieg gegen das Benzin ein wenig Frieden einzubringen.
Brüssel hebt Sanktionen auf, warnt jedoch: “Wenn sie viel ficken, treiben wir die Zahl der Armen nach oben”.
Dänemark steht kurz vor dem NEIN zur sexuellen Unzulänglichkeit Europas.
Die Kommission teilt mit: Würde, Freihheit, Gleichheit, Solidarität für die Freunde; für die Feinde das Gesetz.
Russische Militärs besetzen das Elektrizitätswerk, das ihre Stromversorgung unterbrach.
Unser Rato, der Wirtschaftsminister, behauptet jedoch, Spanien laufe gut und für sein Spanien gebe es überhaupt keine Krise. Der Minister gibt in der gleichen Rede den Rat, die einzige Lösung sei, den Konsum zu senken, und das Benzin von Kindern und Tieren fernzuhalten.
Wir wollen daran erinnern, dass es auber der chilenischen und argentinischen Militärs, Militärs des gleichen Zuschnitts in allen Ländern Amerikas gibt, einschlieblich des Nordens.
Ein Verfolgter erklärt, er habe kein Vertrauen in seine Verfolger.
Der Vorstand der sozialistischen Partei Spaniens gibt bekannt, warum die PSOE nicht die Wahlen gewann: 16 von 26 Parteisprechern sind mehr als die Hälfte unserer Stimme.
Die Zahl der auf ihren Bruchbooten verhafteten Einwanderer. Tierisch! Nicht? Und danach kommt man auf die Bruchbootfahrer, die laut Zeitung die Bewohner der Bruchboote sind.
Der Kongress weist die absurde Idee von sich, dass ein Spanier auch im Ausland Spanier sei. Lächerlich! Nicht?
Die Hälfte der Menschheit lebt von 386 Peseten am Tag, also von zwei Dollar, wir haben jedoch beschlossen, 500 Millionen Dollar für Aids auszugeben, zu dessen Verbreitung wir selbst beitragen, das letzte konnte ich nicht genau sehen, von welchem Minister das eigentlich stammt.
Die Weltbank gibt den Rat, gegen die Armut zu kämpfen: Das Almosen, die Nächstenliebe der Völker mit Macht. Wie schön? Nicht?
Der Kongress lehnt einen Plan gegen Diskriminierung bei der Ausbildung von Einwanderern ab und im gleichen Augenblick verkaufen die Verleger 15 % weniger Lesebücher als 1999.
Die Gesundheitsbehörden bestreiteen, dass es Gesundheit gibt, und die Gesellschaft für Organverpflanzungen ist auf eine bedauerswerte Ablehnung gestoben, sagen die Traumkritiker.
Hundert Kinder und Frauen vergiften sich mit Blei, als das holländische Parlament die Homosexuellenehe verabschiedet ohne irgendeinen Hinweis zu geben, wie herausgefunden werden kann, wie man ganz eindeutig einen homosexuellen Menschen von einem nichthomosexuellen unterscheidet. Unterdessen vervierfacht eine illegale Firma ihren Umsatz.
Durch die Genetik wird der Begriff der Rasse abqualifiziert, denn nur 0,01% der Gene sind damit befasst. Im gleichen Augenblick stellt eine offenbar sehr gut informierte junge Frau fest, es sei verwunderlich, dass so viele Gene zusammen richtig aufeinander eingespielt seien, wo sie selbst noch nicht einmal mit zwei Menschen gut auskomme.
Um etwas mehr über den Menschen zu erfahren, und das ist streng wissenschaftlich, müssen wir einen Grobteil des Essens der Hälfte der Menscheit dafür ausgeben, das Schimpansengenom zu untersuchen.
Die Regionalverwaltung stellt 140.000 Schulkindern gratis Lehrbücher zur Verfügung und gleichzeitig haben 8.000 Dreijährige keinen Kindergartenplatz.
Der Präsident einer beschissenen Bank warnt die Märkte vor dem Irrtum, auf den Dollar und nicht auf den Euro zu setzen, wo der Euro in einem Jahr doch nur 25% von seinem Wert verloren habe. Vertrauen ist die Grundlage bei unserer europäischen Produktionsweise und ich gebe euch den Rat, sagte der Präsident, SPARPROGRAMM, Verlust der Kaufkraft der Arbeiter, den Gürtel enger schnallen, wie es die Diktatoren der dritten, vierten und fünften Welt raten, flexiblere Kündigungsmöglichkeiten und die allgemeine Empfehlung an die Bürger, auf die Strabe zu gehen und Almosen zu erbetteln.
Ein Haufen Verrückter, Minister, Bankprokuristen und hoher Tiere aus dem Internet, ziehen durch Europas Straben und schreien dabei:
WER NICHT HAT,
DER HAT NICHT
Unsere Wertschätzung für die Weisen könnte gröber
nicht sein.