INTERNET-WOCHENZEITSCHRIFT ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT UND VERANTWORTET: MENASSA 2002 WIR
KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN, DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
INDIO GRIS NR. 115 JAHR III LEITARTIKEL GESPRÄCH MIT DEM DICHTER MIGUEL OSCAR MENASSA Carmen
Salamanca: Jetzt,
wo wir eine Aufnahme von den Gedichten aus Ihrem letzten Buch, Al Sur de
Europa, machen, meinten die Kamerafrauen zu mir, Sie würden sehr kraftvoll
rezitieren, sie fragten nach der Stellung, womit man rezitiere, von wo aus man
rezitieren müsse. In einigen Schulen heißt
es, aus der Mitte des Magens, sie aber fragten, wie denn Sie das
eigentlich machen würden, wo doch eine Aufnahme eine reichlich kühle
Angelegenheit ist, und das einzige Publikum die beiden Kamerafrauen sind. Miguel
Oscar Menassa: Offensichtlich gibt es zwei Denkweisen zum Thema Arbeit. Ich kann denken,
dass mir die Arbeit Energie nimmt, und außer meinem Dasein als Proletarier, Angestellter oder
Arbeiter, bin ich ein bisschen arm. Bei einer solchen Denkweise kann ich jeden
Moment in eine Depression fallen, in eine Traurigkeit, in einen nervösen Erschöpfungszustand.
Das ist der Weg, wenn wir denken, die Arbeit nimmt uns Energie. Und eine andere
Denkweise ist, das Geld, das ich zu Monatsende kassiere, füllt mich mit
Energie, ich bin weiterhin Arbeiter, Angestellter, aber ich bin glücklicher. Ich
will damit sagen, das mit dem, man brauche Energie zum Rezitieren, zum Singen,
zum Schreiben, zum Malen, ist eine Erfindung der Staaten, um die Arbeiter in der
Hand zu haben, denn in Wirklichkeit gewinnt man Energie, wenn man singt,
rezitiert.Außerdem, was Sie da sagen, die Energie sei mitten im Bauch,
das sind Schulen. In meiner Schule wäre das “Sie müssen überhaupt kein
Zentrum haben, dennoch müssen Sie zentriert sein, und Sie müssen sich keine
Sorgen darum machen, bei Stimme oder nicht bei Stimme zu sein, denn die Stimme
ist allenfalls die Stimme des Dichters”. Wenn Sie sich jedoch darum Sorgen
machen, ob Ihre Muskeln mitmachen, ob Ihre Stimme mitmacht, dann verbrauchen Sie
offensichtlich viel Energie. Habe
ich Ihnen damit etwas beantwortet? CS:
Es scheint, sie haben große
Erfahrung
im Rezitieren. Haben Sie oft laut rezitiert? MOM:
Mit 7 Jahren machte ich ein Gedicht für meine Mutter (nicht alle Dichter haben
mit 7 Jahren ihrer Mutter ein Gedicht gemacht). Ich wollte einen Spaß
mit ihr
machen, ich hatte Lust, für sie einen Tango zu
rezitieren und ihr zu sagen, das sei das erste Gedicht, das ich in meiner
Kindheit gemacht hätte, und der Tango ging so: “Liebe, arme Mutter, wie viel
Kummer hattest du mit mir, wie oft weintest du verborgen, traurig und abgekämpft,
in einem Winkel hab ich dich gefunden”. Als
ich dieses Gedicht da für meine Mama machte, gab ich es ihr auf ein Blatt
Papier geschrieben, weil ich schon von klein auf Dichter war, aber sie wollte,
ich solle es laut vorlesen, und ich fühlte diese Beschämung, diese
Erniedrigung niemals mehr vor einer Million Leute. Warum? Weil meine Mutter sehr
gut Tango tanzen konnte, und wenn ihr gefallen hatte, wie ich das Gedicht
vorgelesen hatte, dann hatte ich es gut vorgelesen. Und
es gefiel ihr. Sie umarmte mich und sagte “Miguelito, mein Lieber” und ich
sagte,” hau ab, Altchen, Papa schaut uns zu”. CS:
In welchem Alter? MOM:
Mit sieben Jahren, hören Sie nur, ich weiß
aber nicht, ob das gilt. Und die erste Freundin mit 11. Und was ich zwischen 7
und 11 machte? Alle Gedichte waren für meine Mama. Und wenn Sie so wollen, dann
sage ich es auch, ich habe sehr wenige Gedichte für Männer geschrieben. Das
Gedicht, das ich einem Mann widmete, das war bereits, als ich erwachsen war, und
zwar Che Guevara, danach, noch erwachsener, ist da ein Gedicht, das ich meinem
Vater widmete, obwohl ich da schon sehr erwachsen war. Aber als junger Mann da
war das erste Gedicht, das ich einem Mann widmete, für Che Guevara. CS:
Das fiel mir dann schon sehr auf, das mit der großten
Beschämung, die Sie in Ihrem Leben empfunden hätten,
sie hätten nie mehr Beschämung empfunden, MOM:
Das habe ich Ihnen erzählt, um Ihnen damit zu sagen, jener Augenblick war so überwältigend,
dass ich danach niemals mehr Angst empfand zu rezitieren, niemals mehr emfpand
ich Beschämung wegen der Poesie. In Fabriken habe ich Poesie rezitiert, in
Stadien, auf Fussballplätzen, dort wo, geboxt wurde, im Bett, auf allen Feten
von allen meinen Freunden, da ich habe rezitiert. Wie gut ich doch meiner Mama
vorgelesen habe. Und meine Mutter war für mich eine Künstlerin, weil sie
innerhalb der Bevölkerung aus der breiten Masse stammte und ihr dieser Sohn
gelang, der bin ich, sie war eine große
Künstlerin, sehen Sie das? Was
ich jetzt sagen werde, ist sehr schwierig, das ist für die Schriftsteller aus
der Vorstadt, für die Schriftsteller von EL PAIS. Es ist sehr schwierig, diesen
Leuten zu verstehen zu geben, dass, sobald jemand sagt “ich will malen”, er
nicht malen will, er will malen wollen. Mir dagegen passiert so etwas nicht,
Sartre würde sagen, wenn er malte, dann malte er eben, dann sagt er “frag
mich nicht, während ich Liebe mache, ob ich dich liebe, denn während ich sage,
ich liebe dich, höre ich auf, Liebe zu machen”. Wenn Sie mich dagegen fragen,
während ich male oder während ich Liebe mache, Was machst du denn gerade? Würde
ich Ihnen antworten “ich will malen”, aber wenn ich male, wenn ich beim Vögeln
bin “will ich Liebe machen” und nicht vorher, wenn ich es vorher sage, was
ich will, ist Liebe machen wollen, was ich will, mich wirklich aufs Malen
freuen. Verstehen Sie das? CS:
Das erinnert mich an einen alten Spruch, Bewegung wird durch gehen bewiesen. MOM:
Wenn Sie meine Kenntnis auf eine volksnahe Ebene bringen wollen, können wir
sagen, auch das Übel hat seine guten Seiten, aber das ist falsch, das ist
falsch, weil der Weg durch das Gehen entsteht, wie Machado sagte, das ist eine
unumkehrbare Wahrheit, was man aber schon tun muss, ist gehen. CS:
Später wird man sehen, ob der Weg entstanden ist. MOM:
Sehr gut, was Sie da sagen. Nicht jedes Gehen bringt einen Weg hervor. Sehen Sie
nicht, dass auch Sie etwas bei diesen Gesprächen lernen, dass es nicht
vollkommen umsonst ist? Weil die Leute allmählich sagen « dieses arme Mädchen, wie viel
die arbeitet… » das sind die Feinde, die feindliche Presse. Wir
werden sehen, was die in ein paar Jahren sagen. Das
einzige, was ich ersehne, obwohl es mich erstaunt, ist meine Mutter. Und
dieser Schritt, gemessen und ruhig, Den
wahren Tango, den hatte sie nicht im Schritt, Noch
im Kichern ihres Lachens, ansteckend und offen, MEINE
LIEBE, Vor
dem Licht, war nicht die Finsternis, war die Blindheit. Ich
öffne die Augen und die Welt erstrahlt bei dieser Öffnung meiner Stimme hin zu
den Wegen des Gedichts. Heute
die größten
Dichter gestorben und
geboren worden, und ich bin der Alleinverantwortliche. Meine
Stimme, möchte ich sagen, dieses verzweifelte Licht,
breitet sich den verborgensten Dimensionen des Wortes hin geöffnet aus. Wort
des Lichtes, bezaubernde Nachtigall, hingebreitet, nur so, über meine Tage. Aber
ich kann nicht sagen, das sei das letzte Gedicht, das auf der Welt geschrieben würde. Ich
selbst werde fallen und werde wiederum tausend Mal von neuem aufstehen und
dieses unterirdische Schlagen wird zum Wort werden, zeitloser Wirbel, großartige
in feinem
apokalyptischen Zittern aus Licht geöffnete Finsternis Tosende Ernte des Fleisches,
Vorabendessenz. Ich
liebe dich.
Sie sagt jetzt, sie müsse über die
Wirkung der Psychoanalyse lachen. Ich verstehe das überhaupt nicht und erinnere
mich an Lacan, so ganz im Allgemeinen, keinen Satz, kein Buch, nur seine
Gestalt, dann stellte ich mir vor, etwas Ernsthaftes würde geschehen. Etwas
wie das Unbewusste, ich selbst, war auf diese Weise strukturiert. Sie
sprach von französischen Dichtern, und sie sagte, sie sei von zwei Arabern wie
mir ermordet worden, und dann mit einem deutschen Versprecher sagte sie: -
Gaga-Alter-Schleimer. Ich
dachte sofort, es seien viele Jahre vergangen. Mein Vater sei gestorben, eines
meiner Kinder sei kurz davor, mich zum Grossvater zu machen, meine Mutter
zittrig und meine Frau älter. Etwas
hätte in mir geschehn sollen. Es gelang mir aber nicht, mich als verkalkten
Alten zu sehen, und dann begriff ich es vollständig: unsere Liebe ist unmöglich. Sie
drohte mir damit, mich ins Gefängnis zu schicken, sagt aber sofort, sie halte
das für absurd; aber wie dem auch sei, als guter Psychoanalytiker müsste ich
ihr mit grösserer Aufmerksamkeit zuhören. Danach
streckt sie sich friedlich in grausamen und rachsüchtigen Männern aus und gibt
zu, als kleines Mädchen hätte sie sich nicht mit ihrer Mutter identifizieren können. -
Veilchen, sage ich, das ist eine gute Zeit, um Veilchen zu pflanzen. -
Ja, antwortete sie – auf der Grabstätte von Juana der Wahnsinnigen lagen
kleine verliebte Blumen. Schauen
Sie, mein Wunsch ist einfach, mein ganzes Leben habe ich damit zugebracht, mich
mit meinen Brüdern zu streiten, und niemals konnte ich sie besiegen, das ist
also mein Drama. -
Machen wir beim nächsten Mal weiter, sagte ich.
Das
Licht ging bis auf unsere Schatten zurück, bis wir uns kam sehen konnten. Er
drängte uns gegen die Glaswand, die die Liebe vom Wind trennte und bei
einem Ballfest, diesmal mit erleuchteten Händen und Mündern und Titten
und Beinen und Händen und Geschlechtsteilen. Sie
mit ihren hohen und feinen Händen drückte mir so lange die Klitoris, bis
sie mir das intimste Stöhnen entriss. Er brachte uns dazu, uns auf den Mund
zu küssen und sagte : -
Kind, Kindchen, was für ein Möschen hast du bloß. Durch
ein atemberaubendes Abfeuern des Wunsches flogen wir in die Mitte des
Wohnzimmers. Das Orchester spielte verweifelt verzweifelte Melodien. Wir
sanken auf dem Schlachtfeld zusammen, wie die Soldanten immer
zusammensacken, vor oder nach er Schlacht, und indem wir so taten als
unterhielten wir uns über irgendeinen Quatsch, dachten wir an die Zukunft
unserer Beziehung. Sie
ließ
ihre Beine gemächlich immer weiter offen. Stellt euch vor: Ihre soweit
wie nie zuvor geöffneten Beine und ihr Blick so voller Liebe auf meinem
Mund. Ich
schaute ihn wie um Erlaubnis bittend an, kniete zwischen seinen wie nie
zuvor so weite geöffneten Beinen nieder und sagte: -
Du wirst schon sehen, was ich dir machen werde.
Ich weiß, ich werde es nicht können (oder vielleicht werde ich es können), alle Mörder sterben sehen. Ich bin aber glücklich bei dem Gedanken, dass meine Verse alle Mörder sterben sehen werden. Sobald die Winterschalangenhexe in unsere Ziet einfällt, werde ich wieder schreiben und niemand wird meine Verse, wie Riesensteine aus Salz und Sand und Meer, aufhalten Können. Wie
wundervoll wäre es, irgendwie ans Meer zu gehen. Also
entledigt, richtig entledigt habe ich mich bereits allem, und das hat
gar nichts geholfen, so dass ich mich jetzt “ledigen” muss. Ein
Mensch, der den ganzen Tag lang gegen sich selbst vorgeht, geht nicht
mehr. Die Feinde müssen aus mir drauben
bleiben. Indio
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