INDIO GRIS

EINPERSONEN-ZEITSCHRIFT ZUR ANSAMMLUNG VON MÜLL
NR. 11 JAHR 2000 DONNERSTAG 27. JULIES 
ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT UND VERANTWORTET: MENASSA 2000

WIR KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN, DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
SPANISCH, FRANZÖSISCH, ENGLISCH, DEUTSCH,
ARABISCH, PORTUGIESISCH, ITALIENISCH, KATALANISCH

INDIO GRIS IST PRODUKT
EINER FUSION
DER GLANZ DES GRAUS
UND
DER INDIANER AUS DER JARAMA
DIE ZUKUNFTSTRÄCHTIGSTE FUSION DES 21. 
JAHRHUNDERTS

Indio Gris

 INDIO GRIS  NR. 11

1

 Didaktische Psychoanalyse:

 Psychoanalyse, die jemand aufnimmt mit dem Vorsatz einer Ausbildung, insbesondere als Bestandteil zur Befähigung, die Psychoanalyse anzuwenden.

2

 Sie ist ein Wahnsinn gegen sich selbst. Sie liebt und hasst sich stets gleichzeitig und zwar sehr intensiv.

3

Ich bin Dichter, wer von mir anderes verlangt, wird verrückt werden oder Literat, was das gleiche ist.

 Je weiter entfernt vom Leben wir uns befinden, desto näher sind wir an der Wahrheit, sagte der Verurteilte. Die Weisheit gehört dem Leben, ist aber eine Fiktion, weil sie nichts von dem weiss, was ihr erlaubt die Freude des Wissens zu haben.

 4

 Ich bin versessen daruf, meine Seele zu verkaufen und finde keinen Käufer, und der Verurteilte verstand nicht warum.

5

 Ich habe keine absoluten Wirklichkeiten, und das ist sehr modern.

6

  3. JUNI 1985

 Sie kommt nächstens, und es ist als ob sie nicht ganz vorbereitet wäre.

 Ich messe dem deutlich einen Sinn bei.Gewisse Sinne, wenn sie ihren Schmelzpunkt überschreiten , explodieren und verursachen den gleichen physischen Schaden wie die Explosion einer Atombombe mit neoplastischen Konsequenzen, Missbildungen jeder Art und verschiedenem Abartigen.

 Einen Sinn beimessen, wie immer man das auch sagt, ist der Versuch irgendein Gleichgewicht zu halten, wenn es auch schwankt.

7

 Auf der Flucht vor meinen alten Verfolgern stiess ich auf meine neuen Verfolger. Etwas hatte ich mich zwar vom Bösen entfernt,aber noch habe ich es nicht gemerkt.

8

 Ich hoffe zurückzukehren, mein Liebstes, ich hoffe, dich wiederzusehen. Ich, Liebes, kann wieder sein, indem ich mich aus meinem Gesagten zurückziehe.

9

 Wir leben noch mit dem Rücken zum Leben, wenn uns das Leben auch fortwährend zulächelt, werden wir immer Schatten sehen, Überdruss.

10

                                                             5. JUNI 1985

 Meine Lektüre  im Mai hat jetzt allmählich ihre eigene Wirkung. Ficken  wird immer weniger interessant, und ich stelle langsam bei mir einen Hang zur Forschung fest. Mehr als hundert Menschen verfolgen aufmerksam mein Schreiben, um den nächsten Schritt zu tun. Nicht Verantwortung, soweit es sich um eine Gemeinschaftssachse handelt, sondern Freude sollte ich empfinden. In weniger als 10 Jahren habe ich einen Diskurs und eine Leserschaft hervorgebracht. Es bleibt, sich von der bereits bestehenden Beziehung zwischen Diskurs und Leserschaft tragen zu lassen. Niemand wird es für angebracht halten, den belebenden Strom zum Schweigen zu bringen, nicht  einmal ich.

11

 Bei uns im Viertel, in den vierziger Jahren, hatte jedes Kind seine eigene Persönlichkeit. Alberto spritzte wie ein Dauerspucker, Mario einen Schirm und ich hoch und runter. Roberto mit Wasserbad und Humberto holte sich den Totalen runter. Wir waren alle potentielle Weise, und wir waren lieber verschieden als gleich. So würden wir alle eines Tages zusammenkommen, und jeder könnte eine andere Überlebenstechnik vorweisen.

12

 Sobald ich zurückkehren kann, wird die Poesie diesmal alle Grenzen öffnen, und ich werde die letzten  Schranken überwinden, werde die letzten Winkel des Wissens erleuchten.

 Habe ich die Angst zu sterben oder zu verlieren erst überwunden, gibt’s noch mehr.

 Es ist ungeheuer, welche Wirkung Kaffee auf mich hat. Seit zwei Stunden kann ich die Augen weder öffnen noch schliessen.

13

 Stil zu haben ist einfach, eine nichtbestehende Wirklichkeit auf andere Art und Weise artikuliert zu haben und dann das alles bis an seine eigenen Grenzen zu bringen.

14

 Sie sagte mir, ich hätte ein Herz, das viel mehr kann als ein Gedanke. Und ich antwortete ihr, wie schrecklich!, ich kann’s nicht glauben.

Die Leidenschaft war nur eine Öffnung, durch die die Sehnsucht eintrat. Fliehen, also fliehen tue ich nicht

mehr, aber zittern auch nicht.

15

Ich hoffe auf einen Gedanken zu kommen, der mir erlaubt, nach der Ordnung des Wortes zu leben und gleichzeitig nach der Ordnung der Leidenschaft.

16

Der Mensch muss sich nicht gegen sich selbst wenden, diese Wendung hat er schon vor langem vollzogen.

17

Poesie, wie ich dich liebe, und ein Hauch des Genusses erinnert mich daran.

Poesie, jetzt möchte ich das Unbekannte lieben, all das, was nicht sein wird. Das Nichts das sich jenseits des Nichts verbirgt. Ein Strich, und ich bestehe darauf, in der Unmöglichkeit als solcher erkannt zu werden.

Nicht das Bild des Penis, sondern sein Auf und Nieder.

18

SONNTAG, 9. Juni 1985

Die Erbsendecke, die Miller vorschlägt, um die Praxis zu schützen ist darauf ausgerichtet, den Tod Lacans zu verneinen, zurückzuweisen. Alle werden verrückt oder traurig, das gleiche demnach.

19

Ich bin in mir, misstönender Lauf. Eine Note ausserhalb des Bildes.

20

Manchmal muss ich das gleiche Wort hundertmal wiederholen, um einen Platz dafür unter den Wörtern zu finden.

21

10. JUNI 1985

Heute habe ich zu meinem Sohn gesagt, nachdem er besorgt wegen seiner Heirat aussah: Du bist sehr jung, mein Sohn. Heiraten, folglich, sollte dir keine Sorgen machen. Wenn es gut geht, bist du wie ein kleines Genie, und wenn es schlecht geht,  hast du die Zeit,  es wieder zu versuchen.

Das sollte deine Sorge sein,  ob verheiratet oder nicht, was kannst du mit deinem Leben anfangen, wie kannst du auf eigene Gedanken kommen?

22

Bei der Lektüre von DER INDIANER AUS DER JARAMA Nr. 3 · (Mai-Juni 1992) hat mich fast alles beeindruckt. Ein paar verwehte Stücke. Bei Verlagsschluss können wir lesen:

Vom Hunger erdrückt wuchs ich in die Tiefe
Und berührte sogar den Mittelpunkt der Erde,
Am unvollkommenen Rande des Lebens
Das heisseste Feuer, die extremste Hitze.

Ich wurde ausgestossen mitten aus dem Mittelpunkt der Erde
Durch den eisernen Willen von Berg- und Kaufleuten
Die Wasser trugen mich bis zum Ozean,
Wo er sich selbst überschlägt, um Liebe zu sein.

In dieser schwarzen aufgewühlten Tiefe
Wo kein Gipfel möglich ist
Aus dem vollkommenen Felsen entstand mein Körper.

Fischer und Regierende stiessen mich aus dem Meer
Und noch, vulkanisches Feuer, Erde, verzweifeltes Wasser,
Fliege ich jetzt, Windgestalt werdend, zukünftiges Geschriebenes.

23

SCHULE FÜR PSYCHOANALYSE GRUPO 0 MADRID

BEWEGUNG ZUM STIL

MAI – JUNI 1992

Poesie und Psychoanalyse ist in Madrid mehr als der Zufall einer glücklichen Überschneidung. Poesie und Psychoanalyse sind in Madrid eine politische Haltung. In erster Hinsicht gegen jede Art von Rationalismus, sei er nun französisch oder galizisch und in erster Linie gegen jede Art von Kolonialismus, mit dem man die Psychoanalyse auf Kastilisch belegen möchte, ob sie nun aus Paris oder Buenos Aires stammt.

Das magische Auge der Langsamkeit kratzt an meinem Blick.    

Und allen diesen kleinen Gruppierungen, die sich von unserem Sein gelöst haben, raten wir zum ätzenden Auge der Erinnerung einer Zeit als Wissen Vermächtnis des Genusses war. Jener Zeit als niemand einen Tag länger leben konnte, ohne ins Leere zu springen, als niemand einen Tag länger leben konnte, ohne den letzten Tropfen des bitteren Nektars zu schlucken, wenn es nicht nur jene Spalte ist, die mich von dir trennt.

ie Libido! Jungs! Die Libido! Und das wird ihnen beim Wachsen helfen.

Ich bin die schwere Schutztür, die vom Tod spricht.

Die mächtige Mauer, die das Leben vom Gedicht trennt.

Unscheinbare erleuchtete Gegenwart der Sprache,

Und weisser Punkt, verzweifeltes Licht der Leere.

Die Riten der Verliebten beim Geniessen.

Ich war eingeschlossen, sage ich zu mir, war eingeschlossen. Ich kann es nicht glauben, ich, der ich so sehr die Freiheit liebte, war vollkommen eingeschlossen.

Hoffentlich werde ich nicht vom Feuer dieser neuen Freiheit hinweggefegt.

Auf der Wolllust eines verlassenen Körpers reitend,

Zog ich durch diesen Teil der Welt, jenseits des Meeres, jenseits der Berge.

Wir waren keine fiktive Linie und wollten den Horizont berühren.

Wir waren der Horizont selber, die Linie des Horizonts, die man nicht sieht.

Ich verstehe es, nicht von mir abzuhängen, macht mich stärker

Ein vollkommener, umbarmherziger Fels, versinkend

Ohne sichtbare Emotionen, bei der Emotion des Sprechens.

Was sein könnte,  ist still, entzweit.

Beim Fallen, weiss er, es gibt keinen Boden, und dennoch, er fällt.

Gefangen in meinen eigenen Erfahrungen mit der Sprache, gehöre ich mir nicht.

Weder lebend noch tot, ich bin tausend Kilometer tief Richtung Erdmittelpunkt, weil ich endgültig das Gleichgewicht brechen möchte,

Ich bin ein Dichter, so wie es die grossen Dichter sind, folglich ist alles, was für mich zu tun ist , bereits getan.

Wenn alles vergesssen ist, wird in der Erinnerung der Zeit noch diese Perle vibrieren:

Ich suche, nachdem ich gefunden habe, das gleiche, um es zu verwandeln.

Die Kraft, die mir nachgesagt wird, ist keine Kraft. Es ist eine neue Dimension der Zeit, des Geldes, der Sexualität, des Todes. Etwas von all dem will ich nicht für mich. Und wenn ich dies nicht kann, ist der Rest einfach.

Es bezeichnet, was nicht einmal noch unmöglich ist.

Alles ist morgen in mir.

Blumen, die  in hundert jahren erleuchten werden.

Gedichte, die in tausend erlebt werden.

Jede Wahrheit ist Wahrheit von dem, was nicht ist. Das Sein ist immer eine Wette. Immer eine Art Kompromiss der Fiktion. Ein Argument.

Frauen, die mich nach meinem Tod lieben werden.

Die Poesie hat für immer die Zahl ihrer selbst entbunden. Die Zahl hat etwas damit zu tun, was nicht stirbt, währt ewig.

Gebrochenes Wort, eine ihres Liedes entledigte Note.

Schweigen, das am Ende alles sagt.

Wir sind diese Wiederholung, die ewig währt. Ein Genuss, ein Vers, etwas Positives für das Leben.

Ich habe so meine Gedanken, wenn es schon nicht für alle da sein kann, hätte ich gern, es wäre für viele da. Und das denke ich nicht nur, wenn es ums Brot geht, sondern auch , wenn die Liebe auf dem Spiel steht oder auch, damit es sich stark anhört, was ich sage, die Posie.

Es wird einen Leib geben, der sich selbst wiederholt, um das Neue zu gebären, ich bin dieser Leib, wie ich es schon gewissermassen sagte, ich werde nicht der neue Mensch sein, sondern nur seine Mutter. 

Und heute möchte ich dieser einfachen Freude singen, und weiss, alles kann neu entstehen, sogar die Instikte.  

Und es wird keine Schule geben. Es wird Stil geben und ein Stil vermittelt nichts, er entwickelt sich nur. Jedem, der an seiner Entwicklung beteiligt ist, eröffnet sich eine Möglichkeit des Stils. Diese Eröffnung ist das Vermittelte. Und die Übertragung in diesen Fällen ist selbststeuernd.

Das zur Psychoanalyse, denn bei der Poesie sieht es noch finsterer aus. Dichter gibt es nicht, und die Poesie ist frei.

Ein Dichter ist in mir, aber eine ganze Sprache hat dies beschlossen und das,  mal deutlci gesagt, kann man nicht vermitteln.

Für die Gruppe 0 ist Interpretieren kein Vers, nicht einmal ein Akt, es ist ein ganz anderer Begriff als die Menschheit.

Wer sich auf diese Rutschbahn aufschwingt wird Gruppe 0 sein, der Rest, der Rest wird sich damit zufriedengeben müssen, Bewunderer oder Kunde zu sein.

Wenn sich die Leiber öffnen, werde ich nichts nehmen.
Unter den zerfetzten Körpern, verwirrt und gespannt,
Unter der wenigen Wirklichkeit, das Schwarze, das schwache Leben,
Liebhaber des Körpers des Buchstabens, ich werde meine Worte sagen.

Ich komme von hier, ich bin von hier selbst, Fels der Einsamkeit.
Ich entstand in eurem Blick, entstand in eurer Unzucht.
Ich entstand als verrückt gewordene Kraft, Wasser des Wunsches,
Um mein Wort, Stimme der Poesie, frei zu geben.

Ich habe, weil ich die Grenzen des Menschen überschritten habe,
Weil ich am Blick des Todes hinuntergeglitten bin,
Etwas vom Universum, ein Teilchen des Unendlichen in meiner Stimme.

Ich komme von hier, ich bin aus deinem Innersten, das Echo,
Geblendet und leuchtend aus deinem eigenen dunklen Schweigen,
Das Echo, wo die Zeit die Erinnerung mitreisst.

Indio Gris