INTERNET-WOCHENZEITSCHRIFT ES FUSIONIERT, LEITET, SCHREIBT UND VERANTWORTET: MENASSA 2002 WIR
KÖNNEN ZWAR NICHT SPRECHEN, DAFÜR TUN WIR'S IN MEHREREN SPRACHEN
INDIO GRIS NR. 109 JAHR III LEITARTIKEL GESPRÄCH
MIT DEM DICHTER MIGUEL OSCAR MENASSA Carmen Salamanca: Im Juli findet ein Kongress statt, “40 Jahre Schreiben Grupo Cero”.
Beeindruckend die Zahl, vierzig Jahre.
Miguel Oscar Menassa: Wie viel ist das? In welchem Jahr des letzten Jahrhundert ist das? CS:
1961 wurde sein erstes Buch veröffentlicht. MOM:
Das Schreiben der Grupo Cero wären eigentlich dreißig
Jahre, ab dem Primer Manifiesto, dem
Ersten Manifest. CS:
Schreiben
Gupo Cero. Man kann sagen, dass in diesen vierzig Jahren eine Schreibschule
geschaffen wurde, worauf ja auch der Titel des Kongresses anspielt. MOM: Ich lache, denn, was da geschaffen wurde, war eine Schule für Psychoanalyse mit einem Diskurs (im Unterschied zu den anderen Psychoanalyseschulen) aus der eine Menge Schriftsteller hervorgingen. CS:
Die Anzahl der ausgebildeten Schriftsteller ist beeindruckend. MOM:
Gestern hatte ich einen Traum, in dem ich mich mit aller Welt herumstritt. Haben
Sie gesehen, wie die Psychoanalytiker sich darüber streiten, wer
Psychaonalytiker der Grupo Cero ist? Ich habe von einer Liste geträumt, auf der
zu lesen war: “Dichter der Grupo Cero”. Der einzige, der darauf stand war
ich, “Menassa” hieß
es da, und danach kam ein Punkt, wo es hieß:
möglicherweise, Carmen Salamanca, Alejandra Menassa. Alles bekam ich perfekt
hin. Dann war da einStück Papier, wo der Name mit einem Minuszeichen daneben
erschien. Dann hieß
es z.B.: “Ratschläge für besseres Schreiben”. Den einen oder anderen
schickten wir zur Psychoanalyse; Amelia zum Beispiel bekam den Rat, mal einen
ganzen Tag lang nichts zu sagen und danach nachts zu schreiben. Cruz wurde
geraten, wer war der Schriftsteller noch mal, zu dem man ihr riet? Ich kann mich
gar nicht an den Schriftsteller erinnern, zu dem man ihr riet, weil ich nicht
weiß,
ob der Schrifsteller da etwas mit Cruz zu tun hat. Pavese oder Machado war es,
mit dem Zusatz, Cruz könne eine gute Erzählerin werden, aber sie erschien
nicht auf der Liste. Alles so was. Und die haben einen Wirbel bei mir
veranstaltet....! “Also was soll das, ich bin nicht Schriftsteller der Gupo
Cero und habe bereits zwei Bücher veröffentlicht”. Ich erinnere mich genau
an den Wirbel, den sie bei mir veranstalteten. Also die vom Workshop von Carmen,
mein Gott! Carmen kam in den Workshop und alle weinten, “sie haben uns
enterbt,” sagten sie, “sie hat uns betrogen, schließlich
war das alles nur, damit Sie zur Dichterin ernannt würden, Sie wollten niemals
etwas von uns wissen”. CS:
War das ein Traum oder ein Albtraum? MOM:
Das war ein Traum. CS: Was für mich unglaublich ist, dass jeder einen anderen Stil
hat. Was muss man machen, um Schrifsteller zu fabrizieren? MOM:
Ich glaube, das ist sehr einfach. Neben diesen großen
Schriftstellern gab es Schriftsteller, wo die großen
Schrifsteller zusahen, wie sie sie vernichten könnten. Das einzige was ich
machte, und das schien mir ziemlich interessant, war, dass es eine Menge Dichter
neben mir gab, und ich ließ
sie wachsen, das ist der Unterschied. CS:
Wie ließen
Sie sie wachsen? MOM:
Indem ich sie nicht umbrachte, nicht zuließ,
dass der eine wie der andere schrieb, ihnen nicht das Schreiben beibrachte,
ihnen beibrachte, sich nicht länger zu unterwerfen. Sie
zum Beispiel, ihrer Mama, der Grundschule, der Universität, den sexuellen
Gewerkschaften. Ich bin sie über, die
sexuellen Gewerkschaften. “Das ist ein Ehepaar, das sind Homosexuelle, das
sind Heterosexuelle, wir sind Transen,
wir haben einen langen Schwanz....” Die haben sie nicht gegründet, weil sonst
nämlich ich den Wettkampf gewonnen hätte, genau die haben sie nicht gegründet.
Ausserdem, als ob das etwas damit zu tun hätte, das heißt,
dass die Welt noch nicht gelernt hat, dass das Genitale eines Mannes und einer
Frau etwas Animalisches ist, wie bei den Hunden. Wo doch selbst meine Mama das
wusste, wenn ich mich zum Ausgehen fertig machte, sagte sie “Wo gehst du
hin?”, und ich sagte zu ihr, “ich gehe ficken”, und sie sagte zu mir
“Kind, das machen doch die Hunde, die Menschen machen etwas anderes,
schreiben, malen, gehen auf die Universität, bauen Brücken”. Meine Mama, die
Fabrikarbeiterin war, und Sie, die Arschgeschäftsführerin, haben es noch nicht
verstanden. Ich bin’s über. Warum
ich das von meiner Mama erzähle? Weil ich schließlich
nicht so wunderschön bin, wuchs jedoch in einer interessanten Familie auf: mein
Vater erzählte mir Märchen vor dem Einschlafen, wo jemand, sollte er Wissen
zurückgewiesen haben, zu einem normalen Leben verurteilt wurde, vor dem
Einschlafen erzählte er mir dieses Märchen. Und meine Mama weinte eines Tages
los, als ich sie von Spanien aus in Argentinien besuchte, und ich zu ihr sagte
“Na, mein altes Mädchen, wein’ doch nicht, ich bin in einem Monat wieder
hier”, und mein altes Mädchen sagte zu mir, “ich weine nicht wegen dir, ich
weine wegen mir”. Und Sie kommen damit an und sagen, Sie würden wegen mir
weinen, wegen mir leiden, möchten mich lieben. Es
ist, als ob sie nicht genug hätten. Ich gebe dir einen guten Rat und prompt
willst du mich heiraten, weil ich dir einen guten Rat gebe. Nicht doch, du
solltest mir dafür dankbar sein, dass ich dir einen guten Rat gegeben habe. Und
obendrein soll ich dich heiraten. CS:
Ich erinnere mich gerade daran, als wir mit Pilar Iglesias zur Verleihung der
Reina-Sofia-Preise gingen, die in jenem Jahr Alvaro Mutis verliehen wurden, Cela
war da. Wir sprachen mit ihm, und er sagte uns: “Den Leuten Erziehung, Kultur
beizibringen, das ist gefährlich, denn bis sie die Kultur angenommen haben,
durchleben sie eine Zeit der Dummheit, und die meisten bleiben dort stehen”,
sagte Cela. MOM:
Der Neid: wenn ich jemandem etwas beibringe, dann ist da ein Moment, wo der
andere wirklich dumm wird, dümmer als er war, bevor ich damit anfing, ihm etwas
beizubringen. Wenn er diesen Prozess des Neides
hinter sich bringt, wächst er, wenn er ihn nicht hinter sich bringt, wächst
er nicht, ciao, Schluss. CS:
Um den Neid hinter sich zu lassen, stelle ich mir vor, muss man denken können,
dass jeder eine Geschichte hat, dass niemand einem anderen den Platz wegnimmt. MOM:
Das ist auch ein Geschäft. Ich habe oftmals in meinem Leben den Neid hinter mir
gelassen, weil es mir gut tat, ihn hinter mir zu lassen, nicht, dass ich Lust
dazu gehabt hätte. Wie kann ich bloss jemanden beneiden, der mir Brot gibt? Es
gibt nämlich Leute, die denjenigen beineiden, der ihnen Brot gibt. CS:
Dann ist das auch eine wirtschaftliche Situation, der Neid. MOM:
Na ja, ich kann Neid empfinden, wenn ich jedoch verstanden habe, dass das Geld,
außer
der Scheiße,
dem Penis und der Kinder, die es darstellt, auch ein allgemeines Äquivalent im
kapitalistischen Produktionssystem darstellt, kann ich offensichtlich nicht auf
das neidisch sein, was mich Geld verdienen lässt oder mir Geld schenkt, denn es
gibt Leute, die auf denjenigen neidisch sind, der ihnen Geld schenkt. Und warum
tut es mir nicht gut auf jemanden neidisch zu sein, der mir Geld gibt? Weil ich
ihn damit schließlich
zu Grunde richte. IV Uns,
den Armen, geschieht
alles
an unserem Körper. Wir
werden langsam zu Granit, Muss
keinem anderen verbunden sein, MEINE
LIEBE, Noch
ein Jahr, was soll’s, wie’s kam wird’s geh’n. Dieses Jahr werde ich mehrere Bücher veröffentilichen. Ich
muss einen Ehrgeiz empfinden, der zu mir auf Abstand geht, etwas, das, sobald es
in der Welt ist, mich ausreichend
genug interessieren könnte, um den letzten Becher zu trinken, den
letzten Walzer zu tanzen und ans Arbeiten zu gehen wie ein Verurteilter. Ich
rauche, ohne zu wissen, was ich tue, und der Rauch führt mich auf immer
unbestimmte Wege. Ich spiele mit den Rauchwölkchen, und wenn ich schreibe,
zittert der Rauch noch vor meinen Augen, als ob er eine verliebte Frau wäre. Ich
rauche noch einmal und noch einmal ohne es zu merken, um die Stunden vergehen zu
lassen, um den Worten, die sich einander auf brutale Weise begehren, Zeit zu
geben. Ein
Vers von denen, die die Menschheit für immer aufbewahrt. Das
Brutale ist dabei nicht der Vers sondern sein Fortbestehen. Niemand
war Herr seiner selbst, als wir uns ansahen.
Ohne
sich zu schämen, sagte sie heute zu mir: -
Ich stelle meine Gründe denen des Vergessens gegenüber. Niemand
wartet für mich, Verliebte, auf die gewaltsame Fallhöhe des Lebens. -
Das ist toll, sage ich, zu sehen, wie die Schlange den Schritt hält.
Wenn alt, geht alles Gift gegen sie. -
Das ist egal, Herr Doktor, zu meiner großen
Freude bin ich ein Niemand. Um
die Begegnung zu beenden, sage ich, ohne innere ineinander verschlungene
Kräfte, die allen Sinnen gegenüber geöffnet sind, gibt es weder Genuss,
noch Leben, noch gar nichts. -
Ich verstehe, sagte sie aufrichtig, wenn ich ursprünglich sein
will, muss ich mich zuerst von meinen gewöhnlichen Gefühlen heilen. -
Machen wir beim nächsten Mal weiter.
Wir
waren daran gewöhnt, uns
alles offen zu sagen. Also, wenn sie reden wollte, hörte ich ihr zu. -Du
bist schon 50 – sagte sie vertrauensvoll zu mir und danach mit hohler
und leiser werdender Stimme, beeendete sie den Satz: -
Du bist weitsichtig, hast verfaulte Zähne und ein trauriges Glücksspiel
und ebensolche Frauen. Ich weiß
nicht. Ob du können wirst. Ich
hörte ihr zärtlich zu, sah, wie
besorgt sie um mich war, und das stimmte mich zärtlich. Sie wollte mich
groß,
und ich wusste schon nicht mehr, was ich wollte. Ich senkte
den Kopf und tat einen tiefen Zug. -
Gut, lieber Mohr, stell dich doch nicht so an, das wollte ich nicht
sagen. Und
in einem anderen Ton sprach sie vom Exil, der Kirche, den großen
Schriftstellern, die vor nichts zurückschreckten. Ich
hustete ihr diesmal als Vergeltung ins Gesicht. -
Du hast Recht, sagte ich zu ihr, wenn ich älter werden will, werde
ich etwas nicht haben müssen, und drückte die Zigarette aus; dabei
dachte ich wie schon so oft, dies war die letzte. Morgen
würde ich reiner aufstehen und würde Gymnastik machen, und so würde ich
tagsüber eine überraschende Aktivität haben. Als mich die Leute sahen,
sagten sie: Das ist ein fleißiger
Mann, wie schade, dass er unbedingt ein großer
Dichter werden will. Mit
mir jedoch war etwas anders los, ich wollte ein großer
Geschäftsmann werden. Ich wollte das Angehäufte zu einem guten Preis
verkaufen, ich wollte, ich wollte. Deswegen blieb ich stumm. Als
ich mich in diesen Starrsinn versenkte, las sie laut meine Gedichte vor,
um mich davon zu überzeugen, es gäbe eine Bestimmung für mich. Viele
beneiden dich um deinen Platz in der Sprache. Ich weiß
nicht,
was mir dir los ist. Scheiße. Sie
hatte schon etwas Recht, aber etwas Recht hatte sie nicht. Ich war auch
neidisch auf den Platz anderer Wesen in Handel und Bank. Sie
waren neidisch auf den Besitzer der Sprache. Ich
war neidisch auf die Besitzer der Welt.
Danach,
das sagten wir schon, gibt es keine Pause. Einem
guten Geliebten muss es gelingen, immer jemanden zu lieben. Wenn
das geheiligte Scheusal des Lebens seine Herrschaft über die arrogante
Poesie ausübt, empfindet sie nicht mehr wegen nichts einen Schmerz, und
sie fängt zu singen an. Es
gab Männer, die auf niemanden vertrauten, und die irgendwie wie die
Ratten starben. Wenn ich mit den Schmerz, einzig zu sein, weiterleben
muss, werde ich das mit Edelmut tun, eine Weile ich, eine Weile der
Andere. Im Augenblick trenne ich, was man vom Körper trennen kann und
bei reiner Seele, bei
schlagendem Herzen, Wort für Wort werde ich dieses Spiegelbild
konstruieren. Ich bin ein vom Schicksal reich beschenkter Dichter, im
Allgemeinen nämlich nicht das zu empfinden, was andere Dichter
empfinden. Diese Weise führt mich nicht nur dazu original zu werden,
sondern verhindert grundsätzlich das Leiden. Ich bin einer unter
vielen, das verstehe ich, aber der Beste, der Erste, niemand wird mich
darin übertreffen können. Außerdem,
wenn jemand in meiner Nähe ist, wird der sicherlich von meiner Partei
sein, ein Glückerlicher, mit einem Teil
meines Erbes zu Lebzeiten, einem Text, einem Kuss im Schatten. Jemand,
der unserer Tendenz zur Einheit zum Trotz, sich unterscheiden kann, das
ist es, was ich suche, das Gesetz zu erfüllen bis das Gesetz erschöpft
ist. Immer die gleichen zu sein, stört jegliche Gesetzgebung. Indio
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